Neues zum Unternehmen, Arbeitskultur, Menschen bei BRANDAD Systems
Wie wir Machthierarchie beendeten. Es lebe die Kompetenzhierarchie!
CEO Joachim Stelzer ist CEO bei BRANDAD Systems. Wer sich ihn allerdings als Anzug und Entscheidungen tragenden Patriarchen vorstellt, der mit Daumengesten über Projekte, Produkte und Personen richtet, der könnte von der Wahrheit kaum weiter entfernt sein. Von sich selbst sagt der Geschäftsführer: „Ich habe gar keine Ahnung von Führung“ – und auch wenn das ein klitzekleinwenig übertrieben ist, so hat er doch eine ganz eigene Art, die Geschicke des Unternehmens zu lenken. Ganz ohne Anzug, dafür im T-Shirt mit dem Aufdruck „Unruhestifter“. Sein Herzensthema: die Kompetenzhierarchie.
Führung, so Joachims These, spricht niemanden an. Kein Mensch kommt nach einem langen Arbeitstag nach Hause und freut sich, mal wieder so richtig gut geführt worden zu sein. Trotzdem muss er freilich seiner Rolle an der Spitze eines Unternehmens mit fast 100 Mitarbeitenden irgendwie gerecht werden. Was hilft, ist, dass er „dort oben“ nicht alleine steht und dass er aus dem Dilemma einen Ausweg gefunden hat – eine Utopie, auf die er und die Belegschaft geschlossen hinter ihm gemeinsam hinarbeiten: In der alten Welt gab es die Machthierarchie, doch Joachim glaubt fest an die Kompetenzhierarchie und BRANDAD Systems ist das Beispiel, das eben diesen Glauben beweisen soll … nein, beweisen wird!
Warum ist die Machthierarchie überhaupt kaputt?
Frederick W. Taylor (*1856) gilt als der Erfinder des nach ihm benannten Taylorismus. Durch sein Prinzip der Arbeitsteilung optimierte er signifikant die Durchlaufzeiten in Fabriken – oder genauer gesagt: in vorrangig handwerklich orientierten Massenproduktionsstrukturen beim Übergang von der Manufaktur- zur Fabrikfertigung. Taylor hat die Fließbandarbeit so umorganisiert, dass Denken von Handeln konsequent getrennt wurde. Oben wurde gedacht, unten wurde gemacht.
Diese Form der Arbeitsteilung dominiert den betrieblichen Alltag bis heute. Fast jede Linienorganisation tickt nach dem Takt, den Taylor vor über 100 Jahren vorgegeben hat. Aber: Arbeiten wir heute denn noch so wie vor einem Jahrhundert? Basiert die moderne Wirtschaft nach wie vor auf komplizierten, doch aber einfach zu verbessernden Produktionsprozessen? Du ahnst es vielleicht schon: Die Antwort lautet „nein“. Heute sind statt komplizierter Prozesse vielmehr komplexe Systeme am Werk. Systeme, die sich weder einfach kopieren noch einfach planen, vorhersehen oder skalieren lassen.
Für Joachim folgt daraus klar, dass „Denken und Handeln jetzt wieder zusammengeführt werden muss“. Und den Weg, das zu erreichen, hat er ebenfalls vor Augen: „Die Köpfe müssen sich flexibel vernetzen, um der gewaltigen Dynamik der Märkte Antworten liefern zu können.“ Angesichts solcher Herausforderungen ist für ihn der Gradmesser für den Erfolg, wie sehr wir den Wettbewerb vor uns hertreiben, statt diesem mühevoll hinterherzuhecheln.
Formelle und informelle Organisationsstrukturen
Joachims Vision einer Kompetenzhierarchie ist im Grunde „nur“ die konsequente Weiterentwicklung von Organisationsstrukturen, die es heute bereits in nahezu jeder Linienorganisation gibt; und die neben den strikt vorgegebenen Hierarchien ganz natürlich wachsen:
- Die formelle Hierarchie zeigt sich stolz und in aller Öffentlichkeit in Form von Linien- und Matrixdiagrammen. Sie ist geprägt durch Namen, Titel, Rechte, Pflichten, Befugnisse und vor allem Macht. Macht, um die zugeteilten Mitarbeiter notfalls auch gegen deren Willen (oder Rat) zwingen zu können, die wirklich richtigen Dinge™️ auf den Weg zu bringen. Nennen wir das Kind ruhig beim Namen: Das ist Management.
- Die informelle Hierarchie hingegen ist scheu, vorsichtig, beobachtend und ein Meister der Tarnung. Sie bleibt bewusst unter dem Radar der betrieblichen Öffentlichkeit und zeigt sich im Alltag gar nicht – oder nur, wenn es unbedingt sein muss. Etwa, wenn große Not herrscht und der einzige Ausweg in der Kompetenz zu finden ist. In solchen Momenten besteht die großartige Chance, die wahre Wertschöpfungsstruktur der Organisation zu erkennen: Hier spielen Prozesse und Stellen oder Abteilungen plötzlich keine Rolle mehr. Weil es nicht mehr ausschließlich darum geht, WIE dieser Not begegnet wird, sondern einzig die Frage zählt, WER über die erforderlichen Fähigkeiten und den Mut verfügt, voranzugehen und anzupacken. Das sind mit hoher Wahrscheinlichkeit dann auch die Könner.
Kunden im Fokus
Wo wir schon bei strukturellen Problemen sind: „Gibt es überhaupt eine Organisationsform, die sich an der Wertschöpfung orientiert?“, stellt Joachim die Frage nach dem richtigen Fokus für moderne Unternehmen in den Raum – und er liefert prompt auch die Antwort: „Ja!“. Denn: Im Prinzip erschafft jedes Unternehmen, das Gewinn erwirtschaftet, auch Wert. Sonst müsste es ja Konkurs anmelden. Gleichzeitig würde wohl kein Unternehmen von sich behaupten, nicht am Kunden ausgerichtet zu sein. Das macht es umso bemerkenswerter, dass in keinem klassischen Organigramm der Kunde mit abgebildet ist. Ein Fehler im System?
Mit gutem Beispiel voran
Wir wollen nicht behaupten, dass wir die ultimative Wahrheit gepachtet oder einen One-Size-Fits-All-Plan für agile Unternehmen in der Tasche hätten. Aber wir haben für uns(!) und für den Moment(!!)einen Ausweg aus dem Taylor’schen Hierarchie-Dilemma gefunden: Wir bei BRANDAD Systems orientieren uns weitgehend an dem Netzwerkmodell Betacodex von Nils Pfläging – das heißt, wir arbeiten in crossfunktionalen, autonomen und selbstorganisierten Teams, die in unmittelbarem Kontakt zu ihren jeweiligen Märkten stehen. Das Team selbst ist dabei die kleinste wertschöpfende Einheit. Jedes Team verfolgt ein Ziel, hat einen Auftrag, macht eine eigene Gewinn-und-Verlustrechnung und verfügt über maximale Entscheidungsbefugnisse. So kann jedes Team seine Kundinnen und Kunden mit außergewöhnlichen Produkten und Services begeistern.
Richtig spannend wird es aber eine Etage tiefer: Alle Teammitglieder halten jeweils eine oder mehrere Rollen inne, verbunden mit den entsprechenden Erwartungen. Die Rollen an sich sind gleichberechtigt, und jede Rolle hat die Entscheidungsgewalt über zugehörige Themen. Es gibt demnach keine basisdemokratische Grundordnung – alle Entscheidungen fallen kompetenzorientiert innerhalb der jeweiligen Rolle. Eine Ausnahme gibt es aber: die Teamcoaches. Auch deren Funktion ist in einer Rolle abgebildet, jedoch in einer, die sich in jedem einzelnen Team wiederfindet.
Wir arbeiten heute schon am Fail von morgen
Mit viel Erfahrung in Sachen Agilität weiß Joachim nur zu gut, dass diese „seine“ Lösung von heute morgen schon wieder ein Problem sein wird. Im Umkehrschluss bedeutet das aber auch, dass das Problem von heute gestern mal eine Lösung gewesen sein muss. Immerhin. Auch wenn dieses Thema beim Denken leicht Schwindel hervorrufen kann, sind diese Problem-Lösung-Zyklen immens wichtig: Fallen sie nämlich allzu kurz aus, legt das den Schluss nahe, dass wahrscheinlich bisher die falschen Probleme gelöst wurden.
Unabhängig davon, ob die Zyklen in deinem Unternehmen zu lang oder zu kurz sind: Das nächste Problem wartet schon. Immer. Ganz sicher. Dieser bitteren Wahrheit müssen wir ins Auge blicken, ohne in einer Duldungsstarre zu versinken. Die große Kunst besteht darin, Probleme immer wieder und immer wieder rechtzeitig zu erkennen. Joachim empfiehlt dazu einen regelmäßigen, demütigen Blick auf den Status Quo – oder, wie er es nennt, auf die „die Mutter aller Fragen“. So hangelt er sich vom Symptom zur Ursache und schließlich hoffentlich zur Lösung. In einem endlosen Zirkel der Veränderung. Aber darum geht es ja schließlich in der Agilität.
Über die Autorin oder den Autor:
Als Texter, Podcaster und Online-Marketer findet man Jürgen sowohl vor als auch hinter den Kulissen, wenn es um unsere Außenkommunikation geht. Der Beinahe-Digital-Native treibt außerdem die Themen Personal Branding und Corporate Influencing voran. Mehr über Jürgen.